Strukturtreffen 2019 der Initiative Queer_Feminismus

Das diesjährige Strukturtreffen der Initiative Queer_Feminismus fand anlässlich des Ruhr CSD in Essen statt. Übernachtet wurde im Center Hotel, was nicht weit von unserem Tagungsort, der Aidshilfe Essen, entfernt war.

Unser Thema: „Aktivismus in Zeiten steigender Gleichberechtigung – Alles schon getan?“. Außer uns mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen, war das Ziel, Pläne und Vorstellungen unserer Initiative fürs nächste Jahr zusammenzutragen und das neue Koordinationsteam zu wählen.

Am Freitagabend sind nach und nach alle eingetrudelt. Unsere Gruppe war mit zwölf Teilnehmer*innen sehr überschaubar und man war direkt in angeregte Gespräche eingebunden. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde mit lustigen Fragen zum Auflockern waren dann unsere ersten zwei Gäste da.

Nicole Seyffert, Gleichstellungs- und Inklusionsbeauftragte der Stadt Duisburg, und Joachim Müller, Ansprechpartner für LGBTQ der Stadt Duisburg, gaben uns einen Einblick in ihre Arbeit auf kommunaler Ebene. Die Geschichten und Probleme, auf die man in diesem Bereich stößt, waren sehr spannend — angefangen bei Intoleranz und Ablehnung bei Mitarbeiter*innen bis hin zum Mangel an finanzieller Unterstützung und Bezuschussung. Auf der anderen Seite haben wir festgestellt, dass viel erreicht werden kann, wenn es offizielle Anlaufstellen in größeren Städten gibt. Neue LGBTQ Gruppen oder Entgegenwirken bei Diskriminierung am Arbeitsplatz sind Beispiele für Angelegenheiten, bei denen unsere Referent*innen geholfen haben. Den Abend haben wir entspannt ausklingen lassen mit einem gemeinsamen Abendessen bei „sattgrün“.

Samstag war der Hauptseminartag mit eigener Ideenentwicklung und dem Besuch des Ruhr CSD. Vormittags haben wir mit allen zusammen Vorschläge für Seminarthemen gesammelt und überlegt, in welche Richtung man gehen könnte. Popfeminismus, queer sein in ländlichen Regionen, Bildungsarbeit zum Thema LGBTQ und Sexarbeit sind nur einige Beispiele, die wir diskutiert haben. Spätestens zu dem Zeitpunkt war dann allen klar: die Frage „Alles schon getan?“ muss mit nein beantwortet werden! Zu wenig Angebote und zu wenig Sichtbarkeit ist gerade in ländlichen Regionen ein Problem. Auch aus bildungspolitischer Sicht ist längst nicht alles getan; beim Großteil unserer Gruppe wurden queere Themen in der Schule nicht angesprochen oder direkt abgetan. Auch bezüglich des Feminismus taten sich Fragen auf. Was bedeutet Feminismus heute und wer ist alles feministisch? Gerade bei kontroversen Themen wie Sexarbeit scheiden sich die Geister.

Nach dem Brainstorming wurde es Zeit, uns zum CSD aufzumachen — ausgestattet mit kurzzeitigem Regenbogentattoo, Regenbogensocken oder was man sich sonst so vorstellen kann. Wir sind zum Kennedy-Platz gegangen und haben dabei zugeschaut, wie der Demonstrationszug angekommen ist. Der diesjährige CSD stand unter dem Motto „50 Jahre Stonewall — Be proud, stay free“, um an den ersten Protest von LGBTQ 1969 in New York zu erinnern, der sich gegen die damalige Polizeigewalt richtete. Für alle, die noch nicht wissen, woher der Christopher Street Day seinen Namen hat: In der Christopher Street liegt das Stonewall Inn, damals schon eine Gay Bar. Dort fingen in der Nacht vom 28. Juni 1969 anlässlich einer Polizeirazzia die Widerstände und Proteste an und werden als Wendepunkt im Gay Rights Movement gesehen, sowohl in den USA als auch im Rest der Welt.

Über den Tag verteilt gab es die ganze Zeit Bühnenprogramm unterschiedlicher Art. Der Oberbürgermeister Thomas Kufen hat eine kurze Eingangsrede gehalten, als der Demonstrationszug am Kennedy-Platz eingetroffen ist. Zwischendrin begleiteten verschiedene Künstler*innen den CSD, beispielsweise Janine MarX mit deutschen Popschlagertiteln. Nachmittags fand ein Polittalk statt, bei dem von allen großen Parteien (außer der AfD) Vertreter*innen anwesend waren und darüber diskutiert haben, was noch getan werden muss.

Angeregt vom Polittalk haben wir nachmittags in zwei Kleingruppen konkret zwei Seminarideen mit mehr Details geplant, nachdem wir aus unserer Liste von Vorschlägen durch Abstimmung ausgesucht haben, welche zwei Themen wir genauer behandeln wollen. Einerseits ist das ein Soft Skills Seminar zum Umgang mit Diskriminierung und allgemeinen Konflikten am Arbeitsplatz, wobei sich Fragen stellen wie „Wo fängt Diskriminierung an?“ und „Wie verhalte mich im Idealfall?“ Andererseits ist uns, wie oben bereits kurz angesprochen, der Bereich Bildung und Aufklärung sehr wichtig, weshalb es ein weiteres Seminar zum Thema sexuelle Aufklärung in der Schule geben soll. Andere Länder sind Deutschland weit voraus und es ist auffällig, wie häufig Wörter wie schwul noch als Schimpfwort fallen. Nach einem Tag voller Input, Brainstorming und Planung haben wir den Abend gemütlich mit einem Abendessen im Restaurant „Mr. Nam 68“ beendet.

Für Sonntag stand noch die Wahl des neuen Koordinationsteams und ein weiterer Referent aus. Roman Röhl, Lina Stens und Emily Ewers lösen Svenja Blömeke, Juri Kahlert und Noemi Hehl ab, außerdem bleibt Niklas dabei. Ihr findet uns auch hier. Roman studiert in Köln Rechtswissenschaften und organisiert jedes Jahr für die Kölner FDP und die JuLis Köln den CSD. Er möchte gerne die Themen „Diversity in der Arbeitswelt“ und „Queer_Feminismus im Alter“ einbringen. Lina beginnt in Bonn demnächst ihren Master in Psychologie; ihre Herzensthemen sind Chancengleichheit und Diversität. Emily studiert in Dortmund Statistik. Besonders möchte sie sich mit der Veränderung des Feminismus über die letzten Jahrzehnte und dem Umgang im Alltag mit Themen aus dem Queer_Feminismus Bereich auseinandersetzen.

Mittags bekamen wir Besuch von Dietrich Dettmann. Er ist Hauptorganisator des Ruhr CSDs und engagiert sich auch in diesem Vorstand. Von ihm haben wir viel über die Organisation und die ehrenamtliche Arbeit erfahren, die hinter dem CSD steckt. Interessant war zum Beispiel, dass sich das Publikum und die Demographie der Teilnehmer*innen verändert haben und damit auch die Atmosphäre des CSD. Dem Hauptorganisator ist es wichtig, dass die Pride Veranstaltungen nicht zu reinen Partys mit Anlass zum Alkoholkonsum werden, sondern dass auch den Jugendlichen bewusst ist, dass der Christopher Street Day ursprünglich eine Protestveranstaltung ist.

Abgeschlossen haben wir das Strukturtreffen mit dem Vorstellen der Seminarideen vor der anderen Kleingruppe. Wir haben noch Vorschläge geteilt und freuen uns auf die Umsetzung der Seminare!

Emily Ewers stv. für die Initiative Queer_Feminismus

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